Ausstellung: OZEAN, Berlin, 2014
Der Projektraum OZEAN entstand durch ein paar wenige wenn auch entscheidende Eingriffe, die Hester Oerlemans 2010 an der vormals offenen, überdachten Garagenanlage vornahm; sie verschloss die Längsfront größtenteils mit Brettern und versah die Stirn – und hier Sichtseite mit einem Gitter. Ein Gitter, das als Zaun fungiert und in dem ein Tor Zugang zum OZEAN ermöglicht, um dort – wie in einem Ausstellungsraum üblich – Werke zu platzieren, Installationen aufzubauen, Ausstellungen einzurichten eben. Dass das Tor jedoch mit dem Beginn der Ausstellung verschlossen bleibt, ist sicher eher unüblich. Bis auf die Ausstellungen der Serie „SOLOS“, bei denen der optimale visuelle Zugriff auf die Ausstellungstücke durch in die Bretterwand gebohrte Gucklöcher erfolgt und erfolgen soll, wird der Betrachter im OZEAN eingeladen, wenn nicht gezwungen, die Exponate durch das verschlossene Gitter von der kurzen Stirnseite aus zu betrachten. Eingeladen aber doch ausgeschlossen. Die Werke damit einschließend, was wiederum eine Bewachung und klassische Öffnungszeiten hinfällig werden lässt. Die Frage nach Innen und Außen kann im OZEAN nicht einwandfrei geklärt werden. Beziehungsweise wird hier noch deutlicher, wie entscheidend auch in diesen Fall die Position des Fragenden wiederum ist. Ist der Betrachter im Ozean, wenn er die kleine Bodenschwelle über – und damit unter das Dach der Garage tritt? Oder ist er hier nicht so oder so immer im Außenraum?
BIEST denkt Körper und Raum. Denkraum, Freiraum, Privatraum, Kunstraum, öffentlicher Raum, Raumschiff. Was und wo ist innen, wenn das Innen außen ist und woher weiß ich, wo ich bin? Ist ein Raum, der nicht begangen werden kann ein Freiraum? Die Konzepte die BIEST in Mode, Architektur, Design, Kunst und Interieur entwickelt, folgen einer Suche nach – und dem Wissen um – die Notwendigkeit von Unverstelltheit, Erkenntnis und Kontur. Mit Leib und Seele. Auf den Leib geschnitten. Oder aber, wie im vorliegenden Projekt „Zaunkönig“ für den Gitterzaun konfektioniert. Die einst gefundene Charakteristik des BIESTschen opulenten Minimalismus scheint auch hier wieder treffend. Opulent erfolgt ein minimaler Eingriff. Mit high-tech Materialien und Techniken der großindustriellen Produktion folgend, entstand ein Kleid für den Grenzfall – den Gitterzaun, an dem sich Innen und Außen im unaufhörlichen Kippmoment halten. So wie in Grenzgebieten die prächtigsten Biotope erblühen. Die Frage, ob das Verschlossene oder der Verschluss das Interessantere ist, trieb BIEST um. Die Überlegung, dass das Oszillieren den Reiz ausmacht, wurde in Form, Stoff, Volumen gebracht.
Industrielle Techniken in Maßschneiderei ausgeführt und somit passend zum Körper, zum Baukörper. An dieser Schwelle also setzen BIEST hier ihr Denken fort. „In der Architektur bezeichnet die Schwelle jedoch nicht nur den unteren Querbalken einer Konstruktion, sondern auch den des Türrahmens. Ihre Bedeutung ist also eine doppelte, widersprüchliche. Sie ist auf der einen Seite der Ort der Gründung eines Bauwerks, an dem die Grenze zwischen innen und außen, privat und öffentlich, rein und unrein, warm und kalt, heimlich und unheimlich fixiert wird. Auf der anderen Seite ist die Schwelle aber auch der Ort, wo diese Grenze übertreten werden kann, wo die Geschlossenheit der vier Wände aufgelöst wird und die „Beschränktheit abgesonderten Fürsichseins“ mit der „Unbegrenztheit aller Wegerichtungen“ verbunden wird […].“* Der Vollzug der Grenzziehung ist so immer auch identisch mit dem der Gründung. BIEST erweitert die Debatte um die Neubestimmung der Grenzen zwischen öffentlicher und privater Sphäre, Sichtbarkeit und Unsichtbarkeit und richtet den Fokus – beinah in der Tradition eines Daniel Buren – auf das, was für gewöhnlich beim Betrachten der Ausstellungen im OZEAN versucht wird, gerade nicht zu sehen. Der Eingriff bewirkt das Gegenteil von dem, was man eigentlich im OZEAN macht; nämlich ganz nah an das Gitter treten, um es beim Hindurch‐ und Auf‐die‐Werke‐Schauen eben nicht mehr im Blick zu haben. Nun wird das Gitter selbst in den Blick gerückt und der Betrachter geht auf Abstand um das, was ihn vorher auf Abstand hielt. selbst sehen zu können. Auf die vermeintlich verschwindenden Grenzen einer medialisierten Welt übertragen, kann der Blick wohl nicht geschärft genug sein.
* Stalder, Laurent; Präliminarien zu einer Theorie der Schwelle, in: ARCH+ 191/192
Foto: Marike Schuurman
Video: Marike Schuurman